Dieses Stück ist bekanntlich kein Stück – sondern eine Ansammlung äußerst wortgewaltiger oder hilfloser Textfragmente, je nachdem, wer sie spricht. Ein stellenloser Friseur als Soldat ist dieser Hilflose, den seine Umwelt herumschubst, weil er sich nicht wehrt. Woyzeck wird vom Hauptmann verulkt, vom Stabsarzt für medizinische Experimente benutzt, der fesche Tamburmajor schläft mit Marie, die mit Woyzeck ein Kind hatte und die ihm überlegen ist. Woyzeck ersticht sie. Und zwischendurch führt ein Jahmarktsbudenbesitzer mit dressierten Tieren das traurige Schicksal des dressierten Menschen vor. Mehr nicht.
Im Mittwochtheater hat Hans-Jürgen Mitschke diese Episoden, die der 22-jährige Georg Büchner 1836 zu Papier brachte, so einfach und bildreich auf die Bühne gebracht, dass man als Zuschauer die Beziehungen zwischen den Personen stets im Blick behält. Denn alle sind immer auf der Bühne, aber nicht in Wartestellung, sondern als Woyzeck (übel) Mitspielende. Albert Waßmann spielt diesen Woyzeck überzeugend als Getriebenen; immer wieder rennt er im Kreis. Dass diese Bilder und diese Beziehungen so eindrücklich werden, liegt sicher auch an den Kostümen und Masken, die Studentinnen von Maren Christensen aus der Fachhochschule für Design und Medien gestaltet haben.
Der Regisseur Hans-Jürgen Mitschke hat noch zwei weitere überzeugende Grundüberlegungen. Er versucht nämlich nicht, wie oft geschehen, aus den Fragmenten ein ganzes Stück zu zimmern, sondern hat in einer guten Stunde dieses ganze Menschenschicksal angerissen, erzählt, beendet. Und er hat nicht nur Woyzeck, der einmal sagt, er sei 40 Jahre, sieben Monate und zwölf Tage alt, sondern auch Marie, die sonst oft als halbes Kind dargestellt wird, als zwei erwachsene Menschen besetzt. Kordula Mitschke spielt eine lebenslustige, begehrenswerte Frau um die vierzig.
Auch die anderen Rollen, Peter Mainz als Hauptmann, Oliver Gruenke als Doktor, Till Büthe als Tamburmajor und Rüdiger Preuße als Budenbesitzer, sind immer deutlich in diesem Todesreigen. „Du bist schön wie die Sünde – kann die Todsünde so schön sein?“, ruft Woyzeck der Marie zu, kurz vor dem Ende.
Eine sehenswerte Theaterleistung.
Hier geht's zum Stück: Woyzeck