Auf der Treppe

Das Mittwoch:Theater widmet sich Franz Kafka

von Nina Ziesemer

Wie wird man einem Literaten gerecht, der zu den bedeutendsten der Geschichte gehört und zu dem schon alles gesagt zu sein scheint? Diese Frage beantwortet das hannoversche Mittwoch:Theater jetzt in „Franz Kafka. Kein Schlaf Nur Träume“. In 26 Szenen erzählt die Inszenierung multiperspektivisch und multimedial die Geschichte des Literaten und Menschen Kafka und gibt zugleich Einblick in seine Werke und deren Rezeption. In biografischen Episoden aus der Kindheit, den Liebesbeziehungen und der Berufswelt Kafkas lässt Regisseur Oliver Gruenke den Schriftsteller durch dessen Briefe selbst zu Wort kommen, nutzt aber auch die Worte von dessen Protagonisten sowie zahllose Interpretationen der Sekundärliteratur.

Die gründlich recherchierten und sorgfältig ausgewählten Textfragmente sind so originell miteinander verwoben, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Texten für den Zuschauer kaum zu erkennen sind. Künstlerisch umgesetzt wird das alles nicht nur vom überzeugend spielenden Ensemble, sondern auch mit Videoprojektionen auf einem transparenten Vorhang und mit eingespielten Tonbandaufnahmen. Gespielt wird weitgehend auf einer Treppenkonstruktion mit eingelassenen Klappen. Das Bühnenbild und die Kostüme sind zwar stimmungsvoll, wirken in ihrer aufdringlichen Symbolik jedoch gelegentlich auch zu plump. Gerade durch die vielen kurzen Szenen gelingt es dem Mittwoch:Theater, ein facettenreiches Bild des Literaten zu entwerfen, der von Heinrich Baxmann gespielt wird.

Im Zentrum der Inszenierung steht das Verhältnis Kafkas zu seinem übermächtigen Vater Hermann, dem der einzige Sohn zu keinem Zeitpunkt zu genügen scheint. Daher zitieren die Darsteller insbesondere aus „Das Urteil“ und „Brief an den Vater“, in denen der Vater-Sohn-Konflikt besonders deutlich wird. In der Szene „Das Urteil“ wechseln die Hauptdarsteller für einen kurzen Moment sogar ihre Rollen und nehmen jene von Kafkas Protagonisten aus der gleichnamigen Erzählung ein. „Das Urteil“ gehört zu seinen am häufigsten, zum Teil überzogen und zumeist autobiografisch interpretierten Werken, was die anschließende Szene gekonnt persifliert.

Rüdiger Preuße als Kafkas dominanter Vater, der mit seiner Präsenz auch auf der Bühne alle anderen übertrifft, gehören auch die letzten Worte der sehenswerten Inszenierung. Ihm obliegt es, das Erbe des Sohnes nach dessen Tod auf der Bühne zu bewerten und so den zahllosen Kafka-Deutungen eine weitere hinzuzufügen.



Hier geht's zum Stück: Franz Kafka. Kein Schlaf Nur Träume