Schon dreimal hat das Mittwoch-Theater ein Werk von Franz Kafka dramatisiert, von „Der Proceß“ 1994 bis zu „Das Schloß“ 2007 – mit beachtlichem Erfolg. Diesmal hat die ambitionierte Amateurbühne noch höher gegriffen und das ganze Leben des Prager Schriftstellers mit Ausschnitten seiner Romane und Briefe zum Stück verwoben. „Kein Schlaf – nur Träume“ zeigt Kafka als Kind, gedemütigt vom dominanten Vater, und schreibt seine Geschichte fort bis zu seinem Tod.
Dabei muss der Zuschauer genau hinsehen und -hören, wenn die Handlung zwischen Szenen aus Kafkas Leben und Ausschnitten aus „Der Proceß“ und „Brief an den Vater“ wechselt. Kaum merklich verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion – damit verdeutlicht Regisseur Oliver Gruenke, wie stark Kafkas Biografie auf sein Werk eingewirkt hat. So taucht der tyrannische Vater Hermann in Form von übermächtigen Figuren in den Erzählungen auf. Auch die penible Bürokratie, die Kafka als Beamter bei der „Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt“ kennenlernte, ließ er in Romane wie „Der Proceß“ einfließen.
In 26 Szenen lernt man ihn kennen: den Einzelgänger Kafka, den ungeliebten Sohn mit immer zwiespältigen Gefühlen. Vieles wird sehr klar transportiert, anderes symbolisch angedeutet: So spielt die Figur der Justicia auf das Jura-Studium Kafkas an, das nie den Stellenwert in seinem Leben erreichen sollte, wie sein Vater es sich gewünscht hatte.
Hauptdarsteller Heinrich Baxmann kommt dem Schriftsteller schon äußerlich nahe und drückt auch die Angst aus, die Scham und Schüchternheit gegenüber Frauen, die Vorbehalte auch seinem Schreiben gegenüber. Er wütet am Schreibtisch, verwirft Manuskripte. Nie sollten sie veröffentlicht werden, verfügte er, vergeblich. Die tranceähnlichen Stunden, die Kafka nachts mit Schreiben verbrachte, werden untermalt von einer interessanten Klangkulisse: Neben dem Klavierspiel zaubert Albert Wassmann auf einer „Harfe“ aus mit Wasser gefüllten Gläsern schwebende Töne in den Saal.
Begleitet wird der Eindruck des Sphärischen von Leinwandprojektionen, auf denen mal die Darsteller selbst, mal Bilder von Kafka und seinen Schriften gezeigt werden. Am Ende gibts für diese interessante Interpretation Applaus. Der Leser versteht nun mehr – und der Nicht-Kenner ist Kafka und seinem Werk in zweieinhalb Stunden ein Stück näher gekommen.
Hier geht's zum Stück: Franz Kafka. Kein Schlaf Nur Träume